Solidarität

„Solidarität“ meint ein Verbundensein, einen Zusammenhalt untereinander, um gleiche Ziele oder Werte zu verfolgen. Dabei zeichnet sie sich insbesondere durch aktive gegenseitige Untersützung aus.

 

„Die menschliche Gesellschaft gleicht einem Gewölbe, das zusammenstürzen müßte, wenn sich nicht die einzelnen Steine gegenseitig stützen würden.“
– Seneca

 

Solidarität ist dabei doch subjektiv. Eine horizontale Solidarität sehen wir in einer Gruppe von Menschen auf gleicher Ebene. Diese wurde bspw. in der Arbeitnehmerbewergung der Industrialisierung gelebt und mündete in die Grundprinzipien der Gewerkschaften. Auch politische Parteien sind eine Form der horizontalen Solidarität, wenn sie homogene Wählergruppen bedienen oder hauptsächlich Interessen von Menschen vertreten, deren Anschauung und Ziel wenig different sind.

Eine vertikale Solidarität können wir verstehen in Form der Subsidiarität, welche eine der Grundprinzipien unserer staatlichen Organisation ist und eine Solidarität von „oben nach unten“ oder auch umgekehrt ist, die Unterstützung einer Gruppe oder Organisation von unterschiedlichen Ebenen.

 

Solidarität funktioniert da gut, wo sich subjektive und objektive Interessen die Waage halten. Solange eine Objektivität das subjektive Empfinden nicht tangiert oder verletzt, ist eine horizontale und vertikale Solidarität jederzeit möglich. Da, wo sich jemand in seiner Subjektivität verletzt, bedrängt, sich ihr entzogen fühlt, da entsteht das Gegenteil von Solidarität, es sei hier Entfremdung oder Ablehnung genannt. Eine Verletzung der subjektiven Solidarität ist eine bestimmte Zeit möglich. Jeder Altruismus hat seine Grenze oder sollte seine Grenze haben, wo an gemeinsamen Werten möglichst nicht mehr paritätisch zu partizipieren ist. Ob Marx‘ Klassenkampf oder rechtsextremistische Ausprägungen: Mangelnde Solidarität drückt sich vielfältig aus, einerseits pro mehr Solidarität, andererseits contra, in eine Entfremdung, eine Ablehnung. Eine Frage des Menschenbildes.

 

Verstehen wir Entfremdung als ein Gegenstück von Solidarität, so haben Fremde und Solidarität eine Dimension von nah und fern, von greifbar und nicht greifbar, von verstehen und nicht verstehen.

Entfremdung beschreibt einen Trennungsprozess. Mangelnde Solidarität ist eine Trennung auf horizontaler und vertikaler Ebene. Doch sind wir anderem oder anderen da fremd, wo wir uns selbst fremd werden. Es gibt einen fremden Teil in uns, den wir selbst nicht verstehen, der uns fern ist, den wir nicht greifen wollen oder können. Da, wo uns ein nächster Mensch fremd ist, können wir keine Solidarität aufbauen.

 

Sie werden uns zu einer Gefahr, bedrohen unsere Gemeinschaft. Unsere Gemeinschaft, die wir doch als Solidarisch empfinden. Die jedoch nur solange solidarisch sein kann, wenn sie kontrollierbar bleibt. Wenn sie nicht bedroht wird. Doch wie ist es, wenn wir uns selbst bedrohen? Der Mensch projiziert seine eigene Fremde ins Außen: Das eigene Unbekannte, das eigene nicht Verstandene, die eigene Angst. Solidarität hat ihre Grenzen.

 

„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“
– Ludwig Wittgenstein

 

Einige Generationen zurück begegneten unseren Vorfahren noch Fremde auf eine andere Art: Als Wanderer. Als Menschen, die tage- und wochenlang unterwegs waren, um von einem Dorf in eine andere Stadt zu gelangen und in kleinen Orten Herberge suchten. Oft waren sie anders, brachten etwas unbekanntes mit, hatten vielleicht einen anderen Dialekt, sahen gar anders aus. Sie waren: fremd. Nur eine Zeitlang – sie wanderten weiter, das Fremde gelangte wieder in die Ferne. Hilfsbereitschaft, Unterstützung, Solidarität.

Heute ist das an sich nichts anderes. Auch wenn die Welt globalisiert ist, Kulturen und Ethnien differenter sind. Trennschärfer ist das Fremde nicht geworden. Doch trennt der Mensch deshalb möglicherweise schärfer. Solidarisch nur noch mit seiner Welt, die er verstehen kann.

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